Fischer, Wilhelm und Partner - Steuerberater
19.11.2025 | Anne-Katrin Wendland, LL. M.

Digitaler Bescheid kommt ab 01.01.2026

Neue Rechtslage und ihre Konsequenzen

Ab 01.01.2026 werden Finanzbehörden Steuerbescheide, die aufgrund von elektronisch eingereichten Steuererklärungen erlassen werden, grundsätzlich elektronisch zum Abruf bereitstellen und nicht mehr in Papierform – und zwar ohne Ihre Einwilligung.

Was bedeutet das für Steuerpflichtige?

Künftig soll die elektronische Zustellung von Steuerbescheiden die Regel sein. Um die elektronisch zugestellten Bescheide zu erhalten, benötigen Sie einen Zugang zum ELSTER-Portal, bei dem auch eine E-Mail Adresse zu hinterlegen ist. Verfügen Sie bisher nicht über einen Zugang, dann müssen Sie diesen einrichten.

Sie können aber, sofern Sie von einem Steuerberater vertreten werden, diesem auch eine Vollmacht erteilen, so dass er für Sie tätig werden kann und die Steuererklärungen nicht nur in Ihrem Auftrag übermittelt, sondern auch die Bescheide digital zugestellt bekommt. Haben Sie Ihrem Steuerberater bereits eine Vertretungsvollmacht erteilt, wird er diese gegebenenfalls erneuern müssen. Wichtig ist, dass Sie zügig reagieren, denn ab 01. Januar 2026 tritt die neue Rechtslage in Kraft. Und diese hat auch Auswirkungen auf die Einspruchsfrist.

Wann beginnt die Einspruchsfrist?

Bei Steuerbescheiden in Papierform beginnt die Einspruchsfrist am 4. Tag nach Bekanntgabe, d. h. an Tag 4 nach Bescheid-Datum gilt der Bescheid als zugestellt. Bei einem zum Abruf bereitgestellten elektronischen Bescheid gilt dieser an Tag 4 Tag nach der Bereitstellung als bekannt gegeben, also zugestellt. Die Einspruchsfrist beginnt. Sie erhalten vom Finanzamt eine Benachrichtigung , dass der Bescheid zum Abruf bereitsteht. Im Gegensatz zur noch geltenden Rechtslage gilt die Benachrichtigung nur als Hinweis. Die Benachrichtigung hat auf die Bestimmung des Zeitpunktes der digitalen Zustellung des Bescheides grundsätzlich keinen Einfluss mehr. Mit anderen Worten: Sie sind verantwortlich, den Bescheid abzurufen und zur Kenntnis zu nehmen. Tun Sie das nicht, läuft die Einspruchsfrist auch ohne Ihre Kenntnisnahme. Erlangen Sie, warum auch immer, keine Kenntnis von der Zustellung, ist das irrelevant. Bereitgestellt gilt als zugestellt. Die Beweislast liegt dann ganz auf Ihrer Seite.

Eine gute Nachricht immerhin: Widerspruch ist möglich

Die Papierform bleibt weiter möglich, jedoch nur auf Antrag. Das heißt, Sie können der elektronischen Zustellung von Bescheiden widersprechen und die Zustellung von Steuerbescheiden per Post einmalig oder auch dauerhaft verlangen. Hierfür genügt ein formloser Antrag, der nicht begründet werden muss. Wichtig aber ist, dass der Antrag nur für Bescheide gilt, die in der Zukunft zugestellt werden. Deshalb sollte der Widerspruch spätestens bis zum 3 1 . 1 2 . 2 0 2 5 erfolgen.

Insbesondere für Steuerpflichtige, die weder über eine E-Mail noch über einen ELSTER Zugang verfügen und dies auch nicht in Betracht ziehen, ist es empfehlenswert, vom Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen. Wenn Sie steuerlich beraten sind, nehmen Sie die Unterstützung Ihres Steuerberaters in Anspruch oder informieren Sie ihn zumindest darüber, dass Sie der elektronischen Zustellung von Bescheiden widersprechen. Die Erteilung einer Zustellungsvollmacht an Ihren Steuerberater ist ebenso eine Option. Möchten Sie aber weiterhin den Bescheid direkt selbst empfangen, gibt es diese zwei Optionen – Abruf über Elster-Portal oder Widerspruch und Antrag auf weitere Zustellung per Post.

Wie die Umsetzung letztlich erfolgen wird, bleibt abzuwarten. Nicht transparent für uns ist bisher z. B., wie Finanzämter Bescheide an Steuerpflichtige zustellen werden, die weder über eine E-Mail noch über einen ELSTER-Zugang verfügen. Abzuwarten bleibt auch, wie die Finanzbehörden selbst auf die Umstellung vorbereitet sind, wenn sie sich gemäß Verlautbarungen vorbehalten, Bescheide weiterhin in Papierform zustellen zu können, sofern die technischen Voraussetzungen nicht gegeben sind.

Bürokratieentlastungsgesetz IV

Die Änderung der Rechtslage geht auf das sogenannte Bürokratierentlastungsgesetz IV zurück. Ziel sei es, die Digitalisierung des Besteuerungsprozesses voranzutreiben. Ob dies zur Entlastung der Steuerpflichtigen führen wird? Immer mehr Prozesse werden auf die Bürger übertragen. Sie werden in die Mitverantwortung für behördliche Akte genommen. Dabei werden Menschen, die nicht in der Lage sind, mit der Digitalisierung Schritt zu halten und/oder die weiterhin wie bisher ihre Bescheide in ihrem Briefkasten erwarten, u. E. vernachlässigt. Denn auch den Widerspruch gegen digitale Bescheide einzulegen, ist für manche Steuerzahler eine Hürde. Die Behörden sollten es auch diesen Menschen leicht machen, teilzuhaben. Das ist zwar mit der Widerspruchsregelung möglich. Aber ehe die Betroffenen von dieser Möglichkeit erfahren, ist das Kind möglicherweise schon in den Brunnen gefallen, denn auch ein geltend gemachter Widerspruch heilt nicht die Fristversäumnisse der Vergangenheit.

Eine groß angelegte Information aller Steuerzahler wäre aus unserer Sicht zielführend gewesen, und zwar nicht wenige Wochen vor Inkrafttreten, sondern über einen längeren Zeitraum und aktiv auf allen möglichen Kanälen.

Auch Steuerberater sind von der Änderung der Rechtslage in erheblichem Maße betroffen, denn auch für Sie bedeutet die Überprüfung und Anpassung all ihrer Prozesse einen enormen Arbeitsaufwand, für den sie Kapazitäten einsetzen müssen, die eigentlich für die Arbeit an Fragestellungen ihrer Mandanten benötigt würden. Auch die Pflege aller Daten, die den Steuerberatern im Zuge der Digitalisierung abverlangt wird, bindet Kapazitäten, die zur Mandantenbetreuung letztlich fehlen. Ein Dilemma, von dem vor allem kleine und mittelständisch geprägte Kanzleien besonders betroffen sind.

Nebenbemerkung: Bürokratieentlastung bedeutet nicht, einfach „Papier“ abzuschaffen. Bürokratierentlastung bedeutet vor allen, das Leben der Menschen leichter zu machen - ob jung oder alt, ob Unternehmen, Selbständige oder Freiberufler. Je mehr sie mit der Administration von Daten und Prozessen für die Kommunikation mit und die Kontrolle durch Behörden beschäftigt sind, desto mehr werden Prozesskosten auf diejenigen übertragen, die all das umsetzen müssen – sie es der einzelne Bürger oder das Unternehmen.

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